Wie wirkte sich der erste Frankfurter Auschwitz-Prozess auf die BRD aus? Die Serie "Deutsches Haus" nach dem Buch von Annette Hess ist starbesetzt – und recht trivial.
Der erste Frankfurter Auschwitz-Prozess begann im Dezember 1963 und dauerte fast zwei Jahre. Auch wenn die Urteile mitunter unbefriedigend ausfielen, weil den Angeklagten ihre individuelle Beteiligung am industriellen Massenmord im deutschen Vernichtungslager nicht nachgewiesen werden konnte, bedeutete das Verfahren für das Selbstverständnis der jungen Bundesrepublik einen Einschnitt.
Denn was der Prozess an Wissen über die deutschen Verbrechen in der NS-Zeit zusammentrug, machte es danach schwieriger, dieser Vergangenheit aus dem Weg zu gehen durch vermeintliche Unschuld ("Haben doch nix gewusst"). Der Auschwitz-Prozess wurde seinerzeit auf Tonband aufgezeichnet – die Aufnahmen stehen heute als Dokumente der Zeitgeschichte bereit.
Das hat den großen Vorteil, dass die Erinnerung an das Verfahren nicht allein Fiktionalisierungen wie der gut fünfstündigen Serie Deutsches Haus von Disney+ überlassen bleibt (Executive Producer: Sabine de Mardt). Entstanden ist der Fünfteiler nach dem gleichnamigen Roman von Annette Hess, die nun als Creative Producer firmiert. Hess gilt in der deutschen Fernsehszene wegen Kudamm '56 oder Weissensee als renommierte Drehbuchautorin.
Schon bei Weissensee aber konnte man erkennen, dass ihr Trick vor allem in einer cleveren, weil offenbar massenkompatiblen, Form der im deutschen Fernsehen so beliebten Geschichtsverwurstung besteht – in diesem Fall der Denver-Clanisierung der DDR. Geschichte als Soap: Willkommen, im VEB Marienhof.
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Mit Deutsches Haus überträgt Hess dieses Prinzip nun auf die frühen 1960er-Jahre in Westdeutschland an. Hauptfigur ist die Gastwirtstochter Eva Bruhns (Katharina Stark), die eigentlich vom Versandhaus-Erben Jürgen Schoormann (Thomas Prenn) geheiratet werden soll, aber unversehens als Polnisch-Übersetzerin für die Überlebenden der Vernichtungsmaschinerie im Prozess gebraucht wird.
Das soll man sich als Emanzipationsgeschichte vorstellen. Dabei dient die Eva-Figur in ihrer rehäugigen Unbedarftheit vor allem als attraktive Identifikationsfläche fürs Publikum. Mit der unschuldigen jungen Frau kann Deutsches Haus beim ahnungslosesten Nullpunkt der Geschichte anfangen – Eva weiß wirklich von nichts. Beim Erstkontakt mit dem Verfahren übersetzt sie "Gäste" statt "Häftlinge", "Herberge" statt "Block" und "erleuchtet" statt "vergast". Der (erfundene) Staatsanwalt David Miller (Aaron Altaras) gibt ihr deshalb den Rat, für den Prozess alle Wörter zu lernen, die mit Töten zu tun haben.
In solchen Sätzen gefällt sich die Geschichte, deren Alltagspoesie sich in Frühstückstischdialogen am Täter-Tisch entfaltet: "So wie ich an diesen Brötchen kaue, kauen die diesen Prozess durch", sagt der Hauptangeklagte Robert Mulka (Martin Horn), Adjutant des früheren Lagerkommandanten Rudolf Höß. 128 Brötchen hat er zu diesem Zeitpunkt schon gekaut, auch das wird nicht verschwiegen.
Author: Evan Fields
Last Updated: 1704655203
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