Seba wollte das digitale Anlagegeschäft revolutionieren. Interne Querelen und hohe Ausgaben rissen die Kryptobank jedoch beinahe in den Abgrund. Nun ist ein neues Management am Werk. Es hat einen schwierigen Job geerbt.
Wer die Seba Bank in Zug besuchen will, findet zunächst eine verschlossene Türe vor. Erst nach einem Anruf bei der Rezeptionistin wird Eintritt ins historische Zuger Stadthaus gewährt. Dort hat Seba ihren Hauptsitz eingerichtet. Automatische Drehtüren wie bei anderen Banken gibt es hier nicht. Das würde auch nicht zum Finanzinstitut und seiner Kundschaft passen, bei der Diskretion noch grösser geschrieben wird als das vergoldete Firmenlogo über dem Eingangsportal.
In ihrem etwas über dreijährigen Bestehen hat die Neobank Turbulenzen erlebt, die über die typischen Aufs und Abs eines Start-ups hinausgehen – und Investoren wie Anleger gleichermassen irritiert haben.
Die Bank war im Spätherbst 2019 mit grossen Ankündigungen gestartet. Das damalige Management unter CEO und Ex-UBS-Banker Guido Bühler versprach nichts weniger, als das digitale Anlagegeschäft zu revolutionieren. Seba sollte die erste Kryptobank der Schweiz werden, die alles aus einer Hand anbietet: von der Digitalisierung klassischer Anlagen, der sogenannten Tokenisierung, über den Handel mit Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum bis hin zu deren Verwahrung im «sichersten Safe der Schweiz».
Grosse Erwartungen, noch grössere Fragezeichen
Fast zeitgleich nahm damals auch die Zürcher Sygnum ihre Tätigkeit auf, mit einem ähnlichen, aber etwas weniger breit gefächerten Geschäftsmodell. Die beiden Fintechs hatten im August 2019 am selben Tag eine Banklizenz von der Finanzmarktaufsicht Finma erhalten – ein Novum in der Branche. Die Erwartungen waren entsprechend gross. Genauso wie die Fragezeichen. Braucht der Finanzplatz Schweiz tatsächlich noch mehr Banken? War die Ursprungsidee von Krypto nicht, das klassische Bankenwesen zu umgehen? Was soll eine Kryptobank überhaupt sein? Und welche Kundschaft soll sie ansprechen?
Seit der Geschäftsaufnahme von Seba ist im Zuger Stadthaus kaum ein Stein auf dem anderen geblieben. Wer einen Blick auf das Organigramm wirft, erkennt die Bank nicht mehr wieder. Kaum jemand aus der Anfangszeit ist noch an Bord, auch nicht Mitgründer und Ex-CEO Guido Bühler. Bereits wenige Wochen nach dem Start hatte es erste Anzeichen von internen Querelen über die strategische Ausrichtung gegeben. Dieses Muster setzte sich fort. Es folgten Entlassungen, überraschende personelle Rochaden und abrupte Abgänge zentraler Mitstreiter.
Nebst der hohen personellen Fluktuation monierten Beobachter immer wieder auch die hohen Ausgaben der Bank, etwa für den luxuriösen Hauptsitz im ehemaligen Zuger Stadthaus, der bis heute nicht nur bei Alteingesessenen für Stirnrunzeln sorgt.
Drei Finanzierungsrunden hat Seba insgesamt durchgeführt. Nach einer soliden ersten Runde über 100 Millionen Franken 2019 folgte im Dezember 2020 eine weitere Spritze über 20 Millionen Franken, die gemäss Insidern wegen finanzieller Engpässe nötig wurde und nur dem Überleben diente. Anfang 2022 wurden in einer dritten Runde 110 Millionen Franken gesammelt. Nebst neuen Geldgebern wie Altive, Summer Capital oder Alameda Research – dem Handelsarm der gefallenen Kryptobörse FTX – waren auch bestehende Investoren wie Julius Bär an Bord.
Eine Bank zwingt sich zum Sparen
Im April 2022 übernahm schliesslich mit Franz Bergmüller ein neuer CEO das Zepter beim strauchelnden Finanzinstitut. Der Deutsche, der nicht aus dem Banken-, sondern dem Versicherungssektor kommt, bringt viel Erfahrung in der Führung sowie im Aufbau von Unternehmen mit. Vor seinem Wechsel zu Seba hatte er als COO die operativen Geschäfte von Adcubum geleitet, ein Softwarehersteller für die internationale Assekuranz mit Sitz in St.Gallen.
Mit der Zuger Seba hat sich der 60-Jährige viel vorgenommen, nicht nur in der Schweiz, sondern vor allem im Ausland. Das Institut verfügt inzwischen über Büros in Hongkong, Singapur sowie Abu Dhabi. Insgesamt beschäftigt Seba 120 Mitarbeitende, davon 20 international, Tendenz steigend. Denn das Geschäft soll noch «viel internationaler werden», wie Bergmüller beim Treffen am Zuger Bankensitz verrät.
In seinem ersten Amtsjahr, das sich bald dem Ende zuneigt, hatte der neue Seba-Chef aber vor allem eines auf der Agenda: die Altlasten des vorherigen Managements aufräumen, und zwar radikal. Acht Wochen sei er mit seinem Team im Frühjahr 2022 zusammengesessen, um an der neuen Strategie zu feilen. Dazu gehöre in erster Linie eine eiserne Kostenkontrolle. So hat die Bank unter anderem die Tokenisierung sowie die Verwahrung von Kryptos in einem Bergstollentresor aufgegeben – zu teuer, zu wenig gefragt. Stattdessen befindet sich der «sicherste Safe der Schweiz» nun im Kellergeschoss der Bank.
Dementi: «Wir sind kein Gläubiger von FTX»
Ob sich das Kostenstraffungsprogramm des Neomanagements bereits positiv auf die Bilanz auswirkt, ist schwer abzuschätzen. Im Gegensatz zu Sygnum teilt Seba weder die Zahl der Kundinnen und Kunden noch das Anlagevolumen mit. Auch über Umsatz und Gewinn schweigen sich die Zuger aus.
Bergmüller sagt lediglich, dass man «das letzte Jahr trotz der äusseren Widrigkeiten gut abgeschlossen» habe, gar besser als 2021. Die Kundschaft sei wachsend und sehr vielfältig, lasse sich aber im Grunde in zwei Kategorien einteilen: die klassischen Investoren, die neue Anlagemöglichkeiten suchen, und die «Crypto Natives», die mit digitalen Anlagen ein Vermögen verdient haben und nun nach effektiven Wegen suchen, ihr Kryptogeld zu verwalten, zu vermehren und zu Fiatgeld zu machen.
Dass sich der Kryptowinter und die noch immer schwierige Marktlage langfristig negativ auf das Geschäft auswirken, glaubt Bergmüller nicht. Auch betont er, dass Seba entgegen anders lautender Berichte nicht direkt in den FTX-Skandal involviert sei. Die Bank war jüngst in den bei einem US-Insolvenzgericht eingereichten Dokumenten als FTX-Gläubiger aufgetaucht. «Das ist falsch. Wir sind kein Gläubiger von FTX.»
Solche Skandale erwiesen der Branche natürlich einen Bärendienst, moniert Bergmüller. «Wir sind aber überzeugt, mit unserem vielfältigen Angebot in Zukunft Erfolg zu haben.» Für die Umsetzung der neuen Strategie will er sich und seinem Team drei bis vier Jahre Zeit geben. «Der Aufbau eines Start-ups dauert erfahrungsgemäss sieben bis acht Jahre. Wir befinden uns also noch nicht einmal in der Halbzeit.»
Ob dem Deutschen der Umbruch in Zug gelingen wird, wird sich zeigen. Die seit September 2020 amtierende Seba-Verwaltungsratspräsidentin Päivi Rekonen glaubt, mit der neuen Führung endlich richtig eingespurt zu haben. Über Bergmüller sagt sie: «Er ist eine erfahrene Führungspersönlichkeit mit exzellenten strategischen Fähigkeiten, besonders hinsichtlich der Transformation von Unternehmen.» Fähigkeiten, die bei der Seba Bank dringend gebraucht werden.
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Author: Christopher Bailey
Last Updated: 1702494003
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